Ja – das Leben fühlt sich für viele von uns immer schwieriger an. Die Wohnung ist zu klein, die Miete viel zu hoch. Der Abschlag fürs Haus drückt, an Umzug ist nicht zu denken. Alles wird teurer, das Einkommen aber bleibt auf dem Niveau vergangener Jahrzehnte. Frauen verdienen immer noch deutlich weniger als Männer für die gleiche Arbeit. Steuerlasten drücken jene mit niedrigen Einkommen, während die Reichsten kaum belastet werden. Gewinne fließen in private Taschen, die Verluste trägt die Allgemeinheit. Die Luft wird schmutziger, Meere sind voller Plastik, und die Erde erwärmt sich weiter. Wir sollen verzichten, während andere in Privatjets steigen. Verbraucherschutz wirkt wie ein schlechter Witz – und die Politik scheint eher bestehende Ungerechtigkeiten zu verfestigen.
Doch mitten in diesen berechtigten Klagen lohnt sich ein Blick in den Spiegel. Denn auch wir tragen Verantwortung für die Welt, in der wir leben. Wir kaufen Billigkleidung, obwohl wir die Arbeitsbedingungen in Bangladesch oder Äthiopien kennen. Wir glauben vereinfachte, oft falsche Geschichten über ganze Völker – und nehmen Flüchtlingselend hin, solange es uns nicht direkt betrifft. Wir applaudieren lautstarken „Anti-Establishment“-Figuren, ohne zu hinterfragen, welche Welt sie wirklich schaffen. Wir verschwenden, vermüllen, gleichen unseren eigenen Komfort durch Rücksichtslosigkeit aus.
Wir handeln oft aus Ohnmacht und Unzufriedenheit, aber wir lassen diese Wut an Schwächeren aus. Wir werfen Verpackungen aus dem Auto, lassen Müll im Wald liegen, trennen eifrig Abfälle und produzieren zugleich immer mehr davon. Wir wollen schnelle, bequeme Lösungen – auch wenn sie von riesigen Konzernen wie Amazon, Apple oder Google kommen, deren Macht wir kritisieren.
Der unbequeme Punkt ist: Die Welt, in der wir leben, ist nicht nur das Ergebnis „der da oben“. Sie ist auch unser Werk. Unsere Entscheidungen – tagtäglich – prägen Klima, Wirtschaft, Gesellschaft.
Was wäre, wenn wir anders
handeln würden?
Was, wenn wir uns bewusst gegen Ausbeutung und für Solidarität entschieden? Wenn wir Konsum hinterfragten, Ressourcen teilten, Fakten prüften und nicht nur Schlagzeilen? Wenn wir
Nachbarn wieder als Gemeinschaft verstünden statt als Konkurrenz?
Der einzelne muss freilich nicht die ganze Welt verändern. Niemand kann etwas dafür, wo und wie reich er geboren wurde – oder wie arm andere Menschen sind. Das darf nicht allein auf unseren Schultern lasten. Wir alle haben ein Recht auf ein schönes Leben, auf Freude, auf Leichtigkeit. Aber hier und da ein kleiner Schritt – ein Lächeln, ein freundliches Wort, ein Moment des Verzichts oder des kritischen Nachdenkens – kann den Unterschied machen.
Nur dann kann Veränderung entstehen. Nicht durch Panik, nicht durch Schuldzuweisungen, sondern durch Verantwortung – jede und jeder von uns.
Wir erschaffen die Welt. Jeden Tag.
Die Frage ist: Welche?
Bild "Clandestino" von Eiko Neo: www.maijunk.com